Die erste Disco m Karlsruhe? Der „Scotch-man“ kam später! Die „Tangente“ in der Adlerstraße 62 war's, eröffnet 1962. „Das hintere Zimmer war mit Weißblech ausgelegt und an der Decke drehte sich ein Blaulicht von der Polizei“, erinnert sich der „Türsteher“ Horst Amelang. Jeden kennt er noch von damals - vor allem die tollsten Geschichten aus der „Tangenten“-Zeit. Seine Harley-Davidson, Baujahr 42, beispielsweise stand da drin, und immer wenn der Titel „Harley-Davidson“ von Brigitte Bardot lief, dann knatterte auch das Motorrad! Und mitten in der Szene: Karl Peter Müller oder Muller (ohne Umlaut); wie er sich später nannte. Auf jeden Fall aber „Charlie“ oder KPM.

Der 1935 in Mannheim geborene Künstler gründete die „Tangente“ - und damit zugleich die erste „Szenekneipe“ in Karlsruhe. Gleich darüber wohnte und arbeitete KPM, wie sich sein Freund Dimitri Kristeff erinnert: „Für ihn war das alles eine Einheit.“ Kaum verwunderlich deshalb auch diese Geschichte. „In der Tangente wurde eines Tages Gerüste aufgestellt und ein riesiges Matratzenlager darauf errichtet", erzählt Horst Amelang, Bei einem sechstägigen Fastnachts-Marathon konnten sich die müden Gäste dort oben „erholen“.

„Junge Leute trafen sich dort“, erzählt Dimitri Kristeff. Und weil die „Tangente“ als Club geführt wurde, unterlag sie keinen Sperrzeiten. „Nach l Uhr rückten alle Wirte der Stadt an“, erinnert sich Udo Glaser. Der „Türsteher“ drückte dabei oft zwei Augen zu. Einen festen Platz hatten dort auch der Architekturprofessor Gernot Kramer und der Künstler Dave Lauer. Und mit ihnen plante „Charlie“ seinen zweiten großen Kneipencoup in Karlsruhe - das „ubu“ in der Karlstraße, das 1968 eröffnete. Noch mehr als bisher wollte er hier Musik, Literatur und Malerei zusammenbringen. Und mit dem zweiten Kneipenerfolg begründete KPM seinen dritten und größten. Als er 1972 das „ubu“ verkaufte, wurde ihm von der Brauerei das „Krokodil“ förmlich vor die Füße gelegt. So wie „Tangente“ und das „ubu“, so sollte auch das neue „Krokodil“ werden – ein Publikumsmagnet.

Wieder wohnte und arbeitete Karl Peter Müller/Muller in den oberen Geschossen, darunter boomte seine Kunst-Musik-Kneipe. „Das Kroko machte den Ludwigsplatz weit über Karlsruhe bekannt“, sagt Udo Glaser. Als KPM eines Tages auch noch den Bluesgitarristen B.B. King ins „Kroko“ lockte, war er längst Kult. Nicht zuletzt seinen Aktivitäten war es zu verdanken, dass der Ludwigsplatz überhaupt erst entstand. Vorher fuhren dort die Autos. 1981 erhielt KPM den Weinbrennerpreis der Stadt dafür, dass sein Engagement gewissermaßen den Pulsschlag auf dem Ludwigsplatzes erhöhte.

Die Kunstpreise dagegen kamen von überall, nur nicht aus Karlsruhe. Und das ist auch das Problem bei der Beschreibung des Tausendsassas Müller/Muller. „Erzählt man die Kneipengeschichte, kommt die Kunst zu kurz – und umgekehrt.“ Das sagt Betty Cunz, die seit 18 Jahren ausschließlich der Kunst von KPM verschrieben hat und diese in den „Akademischen Werkstätten Kandel“ betreut. 1985 kehrte „Charlie“ Karlsruhe im Streit den Rücken und fing in Wörth in der Kantine des ehemaligen Linoleumwerkes ganz neu an, 1991 zog er nach Kandel in die ehemalige Großwäscherei des Kreiskrankenhauses ein - im vergangen Jahr starb der Künstler mit 65 Jahren.

In direkter Nachbarschaft zum „Kroko“, im Cafe „Ludwig's“, haben seine Freunde eine Gedächtnisausstellung mit Bildern von KPM arrangiert. Und erzählen sich dort so manche alte Gschicht. Zum Beispiel die: Um ein neues Fass zu holen, musste in der „Tangente“ die Tanzfläche geräumt werden. Erst dann konnte die Klappe in den Keller geöffnet werden. In der ersten Disco Karlsruhes.

Badische Neueste Nachrichten, März 2001

 

     
 
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